Hier also das Ergebnis des angedrohten Nachdenkens:
Eines vorab: Das „ungeeignet“ steht in Anführungszeichen!!!
Ich traile mit meinem Australian Shepherd Oskar (Arbeitslinie), der rassebedingt sicher nicht für das Mantrailing prädestiniert ist.
Der Aussie als Hütehund wird immer versuchen, eine Aufgabe durch Kommunikation mit seinem Menschen, über seine Augen, oder aber durch „nachdenken“ zu lösen. Die Nase ist einfach nicht das (erste) Mittel seiner Wahl.
Heißt:
Wir fahren im Training sehr viel besser, wenn ich den Verlauf der Spur nicht kenne. Ansonsten liest Oskar mich – da kann ich noch so viel Ahnungslosigkeit heucheln. Auch unser Backup muss sich sehr neutral verhalten – sonst liest er den.
Mein Hund kennt mich sehr genau: Er checkt auch solche Verstecke, die ich aussuchen würde…
Die VP selbst zu verstecken habe ich aufgegeben, als Oskar angefangen hat, meine Spur gegen Laufrichtung zu verfolgen, weil der Weg zum Ziel so häufig kürzer war.
All das lässt sich keineswegs mit einem Mangel an Motivation erklären!
Oskar will die gestellte Aufgabe lösen, versucht aber immer, den Weg des geringsten Widerstandes zu finden. Dazu gehört auch, dass er – wenn er in einem Gebiet schon einmal gesucht hat – erst einmal da nachschauen möchte, wo die VP beim letzten Mal war.
Startritual
Die Aussies neigen leider dazu, in spannungsgeladenen Situationen und Startsequenzen aller Art, zu kläffen wie die Geisteskranken. Oft sieht man sie dann auch ihre Menschen maßregeln. Ich habe viel Trainingszeit darein investiert, was auch immer entspannt und gelassen zu starten. Und natürlich möchte ich, dass das so bleibt.
Nähe und Vertrauen lassen sich meiner Ansicht nach nicht durch das Einklemmen schaffen, sondern müssen schon vorhanden sein, damit man seinen Hund überhaupt zwischen die Beine nehmen kann.
Ich trainiere vorzugsweise „körperlos“: Im privaten Umgang miteinander wird Körperkontakt durchaus gepflegt, im Training führe ich meinen Hund über Körpersprache, setze also weder die Leine, noch direkte Berührungen ein.
„Was die Stunde geschlagen hat“, weiß mein Hund, wenn ich die „Trailkiste“ packe. Auch Menschen mit Warnwesten versetzen ihn in eine gewisse Aufregung. Das Fährtengeschirr, das ich zum Trailen benutze, hat er verknüpft. Das ist mir sehr deutlich klargeworden, als ich einmal versucht habe, es für einen Spaziergang zu benutzen: Große Empörung!
Unser Startritual ist eher schlicht: Oskar wartet, bis ich ihm die Kenndecke angelegt und ihn „umgeklinkt“ habe, dann geht er zum GA. Er bekommt ein Hörzeichen – ich denke allerdings, dass er auch ohne Hörzeichen losmarschieren würde, schließlich weiß er ja, wie’s geht.
Bei anderen Aufgaben (z.B. Apportiertraining) leuchtet es mir durchaus ein, einzelne Arbeitsschritte zu trainieren und sie dann wie bei einem Baukasten zusammenzusetzen.
Beim Mantrailing mit einem Hund, der Nasenarbeit nicht als Selbstzweck ansieht, hat das jedoch m.E. wenig Sinn. Da er den Weg nicht als Ziel anzuerkennen vermag, brauche ich das Ziel: Es muss eine Person gefunden werden!
Perimeter
Bei den ersten Versuchen wollte Oskar einfach zum Geruchsartikel und von da aus weiter und hat überhaupt nicht begriffen, warum ich ihn nicht gelassen habe.
Ich hab nicht drauf bestanden, um seinen Tatendrang nicht zu bremsen.
Unterdessen setze ich ihn auch ab und zu abseits der Spur an und habe ihm den Perimeter interessehalber noch einmal angeboten. Und siehe da: Jetzt leuchtet ihm die Sache offenbar ein!
Das Bedürfnis bzw. der Anspruch des Hundes, erst einmal die Lage zu checken, Pipibotschaften zu lesen und selber welche zu hinterlassen, hat in unserem Falle keine Rolle gespielt. Das Checken ist generell meine Aufgabe und bei der Arbeit wird nicht rumgepinkelt.
Korrekturen
Mit Korrekturen muss ich sehr vorsichtig sein.
Ein minimales Zögern reicht, damit mein Hund sich wieder an mir orientiert. Korrigiere ich ihn, weil vielleicht ein Wurstbrot am Weg liegt, das er nicht essen soll, kann es mir passieren, dass er die Spur nicht weiter verfolgt.
Das Checken von Abzweigungen ist für mich eine echte Herausforderung.
Ganz oft zeigt sofort die richtige Richtung an, kann dann aber nicht anders, als alle anderen Möglichkeiten auch abzuhaken.
Habe ich erwähnt, dass Aussies oft Kontrollfreaks sind?
Natürlich verballert er dabei Kraft, aber wenn ich ihn bremse, verlässt er sich sofort darauf, dass diese Richtung es nicht sein kann.
Andererseits neigt er dazu, ganz besonders emsig jeden einzelnen Hauseingang zu checken, wenn er die Spur verloren hat. Wenn er gar nicht weiter weiß, bietet er halt Verhalten an, das sonst ganz oft richtig war.
Warum wir überhaupt trailen?
Weil es uns Spaß macht!
Und weil es praktisch ist.
Rassebedingt muss Oskar arbeiten und seine Arbeit muss anspruchsvoll und abwechslungsreich sein.
Er lernt schnell. Und genauso schnell langweilt er sich auch. Es hat mich einige intellektuelle Verrenkungen gekostet, mein „Cleverle“ bei Laune zu halten…
Beim Mantrailing dagegen ist sowieso jede Spur anders. Ich kann Schwierigkeiten einbauen, muss es aber nicht – meistens ergeben sie sich von selber.
Ich bin übrigens der festen Überzeugung, dass mein Hund „Arbeit“ vom „Tralafitti“ unterscheiden kann. Klar kann er Tricks, klar kennt er Sortierspiele, wahrscheinlich würde er mir zuliebe sogar beim Dogdance mitmachen, aber so richtig „dabei“ ist er nur, wenn ihm der Sinn einleuchtet.
Mantrailing ist eine Herausforderung, die wir gemeinsam stemmen.
Gerade weil Oskar nicht prädestiniert für diese Arbeit ist, können wir gemeinsam an unserer Aufgabe wachsen. Helden im Realeinsatz werden wir sicher nie, aber das war auch nie das Ziel. Ich habe meinen Hund beim Mantrailing ganz anders kennen- und lesengelernt. Und für mich liegt der Schwerpunkt ganz klar darauf, dass wir gemeinsam ein Ziel erreichen.
Last not least:
Langfristig möchte ich Mantrailing therapeutisch nutzen.
Dabei geht es genau nicht darum, erfolgreiche Mantrailer auszubilden!
Allein das Bewusstsein „ich kann was“, kann einem Hund Selbstvertrauen geben.
Das Gefühl „ich bin bei der Arbeit!“, kann helfen, Ängste und Aggression zu kanalisieren.
Die gemeinsame Bewältigung einer Aufgabe schweißt zusammen. Und so ziemlich jede sinnvolle Aufgabe reduziert die Kapazitäten für Blödsinn (sprich: Unerwünschtes Verhalten).